Unser Traumcafe
Die B2 der Traugott-Weise-Schule betreibt einmal wöchentlich für 1 Stunde ein Schülercafé. Hier werden den Schüler*innen, Lehrer*innen, Eltern und auswärtigen Gästen kalte und warme Getränke, selbstgebackene Kuchen, Süßigkeiten, Salate und Suppen angeboten.
Ferner wurde ein Partyservice eingerichtet, der je nach Bedarf auf Geburtstagsfeiern von Schüler*innen und Lehrer*innen Kuchen und Getränke bereitstellt und nach Wunsch auch die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Den Catering-Service für auswärtige Gäste hat ebenfalls das Traumcafe-Team übernommen.
Die Schüler arbeiten in Gruppen je nach Entwicklungsstand selbstständig oder unter Anleitung in den jeweiligen Verkaufsbereichen. Jeder Schüler*in ist für seinen Verkaufsbereich verantwortlich.
Der Begriff „Projektunterricht“
Das Traumcafé nimmt in der Familienklasse einen breiten Raum ein und integriert viele entwicklungs-, handlungs-, und fachorientierte Lernbereiche. Aufgrund der Merkmale, die dieser Unterricht aufweist, kann er nach unserer Ansicht als Projektunterricht bezeichnet werden.
Er wird ergänzt durch aktuelle Vorhaben, die außerhalb des Projektes laufen.
Unser Leitziel lautet:
„Eigenständiges Orientieren, Planen, Organisieren, Durchführen und Reflektieren gewünschter Handlungsabläufe“
Dabei sind die einzelnen Handlungsfelder nicht künstlich voneinander getrennt, sondern stehen im natürlichen Bezug zum Verkauf im „Traumcafé“.
Alle Tätigkeiten hängen zusammen, so wie sie auch in der Wirklichkeit vorkommen. Das Handeln macht für jeden Schüler*in Sinn. Sich ergebene Probleme sind nicht konstruiert, sondern mitunter nicht vorhersehbar und verlangen von den Schüler*innen ein hohes Maß an Flexibilität: „Wer macht die Arbeit, wenn ein Schüler*in krank ist? Was muss getan werden, wenn jemand etwas verschüttet? Wo bekommen wir Wechselgeld her? Haben wir genug eingekauft? Sind unsere Kunden zufrieden mit dem Angebot? Wer wäscht und bügelt unsere schmutzige Wäsche?“ etc.
Das Hauptanliegen des „Traumcafés“ liegt darin, anhand eines Tätigkeitsfeldes grundlegende Fähigkeiten anzubahnen, die die Schüler in die Lage versetzen sollen in Kooperation mit anderen verantwortungsvoll und zielorientiert handelnd tätig zu sein. Mit der Arbeit sollen die Schüler Kompetenzen erwerben, die sie auf ein Arbeitsleben nach der Schule vorbereiten.
Allgemeine Ausbildungsziele sind u.a.:
- Kennenlernen der räumlichen Umgebung des Arbeitsplatzes
- Kennenlernen der Betriebsstruktur
- Kenntnis der wichtigsten Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften
- Beachtung von Maßnahmen des Umweltschutzes
- Beherrschung notwendiger sozialer Verhaltensweisen
Neben den vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten des Einzelnen greift das „Traumcafé“ direkt in die lokale Entwicklung ein. Einmal in der Woche bietet es die Gelegenheit für Lehrer*innen und Schüler*innen sich in einem gemütlichen Rahmen zu treffen und auszutauschen.
Darüber hinaus bietet das „Traumcafé“ die Möglichkeit der Öffnung nach außen. Seit einigen Jahren sind wir mit einem Verkaufsstand auf unserem Schulfest vertreten.
Wirksame Öffentlichkeitsarbeit zur Eingliederung der Schüler in die Gesellschaft sollte nach unsere Ansicht bei den Stärken der Menschen mit geistiger Behinderung einsetzen; ein weiterer Aspekt zur beruflichen Eingliederung.
Das Bedingungsfeld
Die Atmosphäre in der Klasse ist angenehm und entspannt. Das Miteinander kann überwiegend als kooperativ und überwiegend freundschaftlich bezeichnet werden.
Die Leistungen der Schüler*innen sind sehr heterogen. Im Rahmen des Projekts trifft dies besonders auf die individuellen Voraussetzungen der Schüler*innen in den Bereichen Sprache, Kognition, Sozialverhalten sowie Lern- und Arbeitsverhalten zu.
Vorbereitung
Mit Mitteln aus Spendengeldern und z. T. aus dem Verkaufserlös war es möglich, unseren Gruppenraum in eine funktionale Küche mit großen Arbeitsflächen, Schränken, Herd mit Backofen sowie einem Kühlschrank zu modernisieren. Ferner konnten wir den Verkaufsraum mit einer von den Schüler selbstgebauten Verkaufstheke mit Kühlschrank und Spülmöglichkeit, Bistrotischen und Stühlen, einen im Werkunterricht gebauten Süßigkeitenstand, eine Salat- und Suppenbar sowie eine Saftbar gestalten. Die Bezeichnung „Traumcafé“ wurde von der Schülermit- verwaltung (SMV) entwickelt.
Die Arbeit im Traumcafé
Um den Verkauf im Traumcafé durchführen zu können, haben wir jede Woche zwei Schultage eingeplant. An den anderen drei Tagen finden fachorientierte Lehrgänge wie Lesen/Schreiben, Mengen und Zahlen, Musik, Religion, Sport/Schwimmen und aktuelle Vorhaben statt.
Mittwochs backen die Schüler *innen Kuchen und bereiten (im Winter) die Suppe vor.
Zur besseren Transparenz stellen wir den Tagesablauf an einem Donnerstag vor:
8.45-9.00 | Besprechung der Einkäufe, Erstellung einer Einkaufsliste |
9.00-10.00 | Einkauf / Kuchen backen |
10.00-10.30 | Frühstücken |
10.30-12.00 | * Aufbau des Verkaufsraumes |
* offene Angebote / Fertigstellung der Kuchen | |
* Dekoration / Reparaturarbeiten | |
12.00-13.00 | Mittagessen |
12.30-13.30 | Verkauf im Traumcafe |
13.30-15.00 | Abbau des Cafes, Spülen, Putzen, Einnahmen zählen, |
Um eine individuelle und damit differenzierte Begleitung bei der Erledigung der anfallenden Arbeitsschritte innerhalb des Traumcafés zu ermöglichen, haben wir die Klasse in Teams eingeteilt. Zur Unterstützung der Teams stehen zwei Lehrpersonen und ein Bundesfreiwilligendienstleistender zur Verfügung, die den Ablauf beobachten und ggf. das Team unterstützen sollen. So entstanden vier Teams mit jeweils zwei bis vier Schülern. Jedes Team arbeitet selbstständig für sich. Zur besseren Orientierung haben wir die Teams farblich und mit Namen auf Stickern gekennzeichnet, die jeder Schüler*in tragen kann.
Jedes Team hat ein Aufgabengebiet:
Jedes Aufgabengebiet besteht aus mehreren Handlungsschritten, die, um eine bewusste Orientierung, Planung, Durchführung und Kontrolle der einzelnen Schritte zu erleichtern, auf sogenannten Arbeitskarten photographisch, graphisch und in schriftlicher Form abgebildet sind.
Ziel ist es, eine größtmögliche Unabhängigkeit von der Hilfe und Kontrolle der Lehrkraft bzw. der Mitschüler*innen zu erlangen und eine je nach Behinderungsgrad individuelle Differenzierung zu ermöglichen. Jedes Team arbeitet mehrere Wochen im gleichen Aufgabenkomplex. In der Teambesprechung werden die Aufgabengebiete neu verteilt, Anforderungen jedes Gebiets diskutiert, Wünsche berücksichtigt und Probleme erörtert. Geleitet werden diese Besprechungen von den Schüler*innen selbst. Jeder Schüler*in bekommt dann ein Arbeitsbuch an die Hand, in dem er Schritt für Schritt durch sein Aufgabengebiet geführt wird. Somit können Ersatzkräfte aus anderen Klassen angelernt und in ein jeweiliges Aufgabengebiet schnell eingeführt werden, Aufbau, Verkauf, Abbau des Standes werden eigenverantwortlich durchgeführt. Mittlerweile benötigen die Schüler*innen keine Handbücher mehr!
Vor Beginn des Verkaufs werden die Angebote in der Schulsprechanlage durchgesagt und Werbung für das Traumcafé gemacht. Des weiteren haben wir in der Unterrichtsreihe „Werbung“ ein eigenes Logo entwickelt.
Nachbemerkung
Bei einer Gesamtschülerzahl von ca. 150 Schülern und einem Kollegenstamm von ca. 40 Lehrern kann das Traumcafé als ein sehr erfolgreiches Angebot gewertet werden. Die Schüler*innen erfahren ihre Arbeit als sinnvoll und „gewinnbringend“. Jeder einzelne trägt dazu bei, dass das Traumcafé „in aller Munde ist“ und auch außerhalb der Schule ankommt!
Die integrierten Arbeitsprozesse zeigen deutlich die Stärken und Schwächen einzelner Schüler*innen. Somit ist die Möglichkeit gegeben, gezielte Arbeitsbereiche kennen zulernen, die den Fähigkeiten jedes einzelnen entsprechen. Freude, Ausdauer und Konzentration entwickeln sich zunehmend.
In diesem Schuljahr wurde ein Teil des alten Teams durch neue Schüler*innen ersetzt. Es zeigte sich, dass das Anlernen der „Neuen“ für den Stamm der Klasse keine nennenswerte Probleme aufwies. Sie wurden als neue Partner akzeptiert, von ihnen angelernt und arbeiteten, unterstützt durch die Anderen mit den Arbeitshandbüchern gemeinsam mit den „Älteren“ in ihren Teams.
Die Arbeit im Team ist nach unseren Erfahrungen ein gelungenes Konzept. Die Schüler*innen werden im späteren Berufsleben viele Bestandteile unseres Konzepts wieder finden und somit selbstbewusster den Berufsalltag angehen können.
Anmerkung:
Literaturverzeichnis
- Boban, I.u. Hinz, A.: Werkstatthaus Hamburg - Wohnen mitten in der Stadt und Arbeiten in einem rollstuhlgerechten Hotel- In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 1995, S. 145-163
- Buschka, M.: Grundkonzept zum projektorientierten Unterricht, In: Lernen konkret, 1985, Heft 3, S. 1-3
- Dürr,H.-G.: Ungenützte Möglichkeiten der Eingliederung Geistigbehinderter in die Arbeitswelt, In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 1992, S. 145-163
- Gugjons, H.: Handlungsorientiertes Lehren und Lernen, Verlag Julius Klinkhard, Bad Heilbronn, 1994
- Schimpfke, U.: Förderschwerpunkt „ Selbständiges Handeln“ – Analyse und Konkretisierung für den Unterricht, In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 1994, S.318-326